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Poker um Fernsehrechte könnte für viele Klubs mit der Pleite enden
Vor dem finanziellen Abstieg?
Von Frank Bachner und Joachim Huber
Berlin. Auf dem Stehtisch stand eine Plastikblume, und Dieter Hoeneß biss
gemächlich in eine Bockwurst. Es war nicht die Kulisse für große, dramatische
Worte. Zu Ketschup und gelassener Miene passten nicht Sätze wie: „Wenn es so
käme, gäbe es gravierende Änderungen, und es gäbe möglicherweise keine
Bundesliga mehr. Die kann nicht nur aus zehn Vereinen bestehen.“ Stimmt, zehn
Vereine mit einem Mini-Spielplan, das geht nicht. Da hat der Manager von Hertha
BSC recht. Im Presseraum der Geschäftsstelle sagte er gestern aber auch: „Ich
glaube nicht, dass Infront Pleite geht.“ Das freilich könnte ein Irrtum sein. Gut
möglich, dass in ein paar Wochen, zu Beginn der Fußball-Saison 2003/2004, nur
zehn Bundesligisten eine Pleite vermieden haben und der Rest zur seligen
Erinnerung verkümmert.
Dann nämlich, wenn eine Tochtergesellschaft der Firma Infront, die die
Fernsehrechte an der Fußball-Bundesliga besitzt, die 290 Millionen Euro nicht
bezahlen kann, die sie der Deutschen Fußball-Liga (DFL), dem Dachverband der 36
Profiklubs, für die neue Saison schuldet. Die Summe ist der DFL zwar vertraglich
garantiert, aber was heißt das schon? Das heißt gar nichts, wenn die
Fernsehsender, die die Bundesliga übertragen wollen, hart bleiben und für die
Übertragungsrechte weit weniger zahlen, als Infront kalkuliert. Infront muss zu
Saisonbeginn Bürgschaften über die 290 Millionen Euro vorlegen, und derzeit
spricht nichts dafür, dass dies gelingt. Doch die Vereine haben die garantierten
Infront-Millionen längst in ihre Etats eingearbeitet.
Eine Chance für die Sportschau
Erhalten die Klubs unerwartet weniger Geld, „dann trifft sie das ins Mark“, sagte
DFL-Geschäftsführer Wilfried Straub kürzlich. Werner Hackmann, der
Aufsichtsratsvorsitzende der DFL, wiegelte freilich ab: „Wir sind ziemlich sicher,
dass wir das Geld bekommen.“ Worauf diese Zuversicht gründet, sagte er nicht.
Hackmann führt ja keine Verhandlungen über die Presse. Aber es kann einfach
auch sein, dass es keine Gründe für Optimismus gibt. Denn die Sender, die das
Geld verteilen, pokern mit ganz harten Bandagen. Sat 1 ist der aktuelle
Bundesliga-Sender und will es auch in der nächsten Saison sein – aber nicht für
die 80 Millionen Euro, mit denen die „ran“-Zusammenfassung in der laufenden
Spielzeit erkauft wurde. 40 Millionen Euro wären der Wunschpreis, bis zu 50
Millionen könnte der neue Sendereigner, Haim Saban, abnicken. Danach endet alle
Ökonomie, und es beginnt die Strategie: Sat 1 gilt weiter als der Sender, der sich
seit 1992 die Bundesliga leisten will und kann. Die Schmerzgrenze der 50 Millionen
liegt knapp über den Preisvorstellungen der ARD: Der gebührengestützte Sender ist
neben dem werbefinanzierten Privatsender der zweite ernsthafte Interessent.
In ARD-Kreisen wird auf die „historische Chance“ verwiesen, die „Sportschau“ via
Bundesliga wiederzubeleben; es gibt Pilotsendungen, die Infrastruktur ist
vorhanden, die Refinanzierung über umgeschichtete Etats und Werbung ist
durchgerechnet worden, heißt es aus Intendanten-Kreisen. Der Wille der ARD zur
Erstverwertung der Fußball-Bundesliga ist derart ausgeprägt, dass selbst eine
Teilung der Rechte nicht ausgeschlossen wird: die Zusammenfassung am Samstag
im Ersten, Livespiele bei RTL, die beiden Sonntagsspiele beim Deutschen
Sportfernsehen (DSF).
Dieses Modell ist das Lieblingsmodell der Liga, weil darauf gehofft wird, dass drei
Rechtenehmer zusammen wieder 80 Millionen Euro zahlen. In Senderkreisen wird
diese Dreiteilung mit Skepsis gesehen: „Ein Splitten der Marke ,Bundesliga’ passt
nur schlecht in ein klares Senderprofil“, wird abgewiegelt. Zumal die Livespiele ins
Rechtepaket des Abo-Senders Premiere eingebunden sind. Da müsste RTL
herauskaufen, was vielleicht noch den Premiere-Chef Georg Kofler freuen würde,
den Premiere-Kunden aber längst nicht mehr. Immerhin, RTL steht vor der Frage, ob
es sich die Champions League weiterhin leisten will, die dem Kölner Sender ein
richtig dickes Minus beschert hat, oder das Geld und die Sendezeit künftig in die
Bundesliga investiert.
Bei all den Spekulationen um Sender und Sender-Kombinationen gibt es eine
Gewissheit: Das ZDF hat sich für die nächste Bundesliga-Saison die
Zweitverwertung für das „Aktuelle Sport-Studio“ gesichert. Ein anderer Punkt ist
fast sicher: Die DFL kann nicht damit rechnen, dass ihr aus der Erstverwertung 80
Millionen Euro zufließen. Und damit lässt sich die Gesamtsumme von 290 Millionen
Euro, zu denen Premiere rund 150 Millionen beisteuert, nicht mehr halten.
Einnahmen sind bereits verpfändet
Das alles ist ein Horrorszenario für einen Verband, dessen Mitglieder schon jetzt
insgesamt 599 Millionen Euro Verbindlichkeiten angehäuft haben. Von 36 Profiklubs
haben elf die Lizenz für die Saison 2003/2004 nur mit Auflagen erhalten, 13
müssen sogar ihre Unterlagen bis zum 11. Juni deutlich nachbessern. Der
Hamburger SV meldete allein für diese Saison 12,5 Millionen Euro minus. Bei Hertha
BSC machen die TV-Einnahmen rund ein Drittel des 50-Millionen-Etats aus. Vier
Millionen Euro fehlen dem Klub allein schon durch die letztjährige Kirch-Krise. Und
Schalke 04 hat sich 75 Millionen Euro von US-Investoren geborgt und dafür das
Gros der Zuschauereinnahmen der kommenden 23 Jahre verpfändet.
Schon jetzt haben die Vereine also große Probleme. Reiner Calmund, der Manager
von Bayer Leverkusen, hat die Lage drastisch dem „Kicker“ erzählt: „ Wenn
irgendwelche Spieler denken, sie haben sich nicht anzupassen mit den Gehältern,
dann musst Du ihnen auf den Kopf hauen, damit sie ein bisschen klar in der Birne
werden.“ Gut möglich, dass die Schläge noch ein bisschen härter werden. Am 15.
Mai fließt zwar wie vereinbart die letzte Rate der TV-Gelder für diese Saison, doch
mehr Planungssicherheit haben die Klubs derzeit nicht. Deshalb warten jetzt alle
besorgt ab. Nur: worauf? Die Sender werden ihr Angebot kaum erhöhen. Dafür
aber wird für die Infront-Tochter Buli GmbH die Zeit von Tag zu Tag knapper. Die
neue Saison beginnt am 2. August. Was passiert, wenn die Buli GmbH, sogar
konkurs geht? Dann könnte die DFL auf Schadensersatz klagen. Aber mangels
Masse wäre da wohl nichts zu holen. Oder die Rechte fallen an die DFL zurück.
Auch schlecht. Wer will sie denn für 290 Millionen Euro haben? Kein Sender.
Noch sagt Dieter Hoeneß: „Wir haben von der DFL keine Signale erhalten, dass es
Probleme gibt.“ Aber das muss ja nichts heißen. „Die erste Kirch-Krise“, sagt der
Hertha-Manager, „kam ja auch überraschend.“
Hmm, ich glaube dass der FC wohl noch relativ gesund dasteht, zumal der Einfluss der TV-Einnahmen nach offiziellen Statements zufolge ja auch "nur" 25 Prozent vom Gesamtetat ausmacht ..... für andere Vereine sieht es da wohl deutlich (!!) düsterer aus. Bin gespannt, wie dieses Hickhack endet.